Fahrer beherrscht Auto – oder umgekehrt?

von Christian Sch… 07/09/2023
Szenethema
Fahrer beherrscht Auto – oder umgekehrt?

Welche Auswirkungen haben die aktuellen technischen Entwicklungen im KFZ-Bereich auf das Beherrschen von historischen Fahrzeugen? Seien wir ehrlich – wenn wir selbst vom modernen Gebrauchsfahrzeug mit zahlreicher Servounterstützung, ABS, ESP, Spurhalteassistent, adaptiver Tempomat, Notbremsassistent, Querverkehrsassistent, Toter Winkel-Warner, usw. in der Freizeit zum historischen Fahrzeug wechseln – wie geht es uns da?

Sind nicht sogar alle, die die Lenkerberechtigung noch auf „assistenzlosen“ Fahrzeugen erworben haben, gut beraten, beim Umstieg auf den „Oldie“ kurz innezuhalten? Und da sollten wir uns dann ganz bewusst in Erinnerung rufen, dass all die tagtäglichen Helferlein im historischen Fahrzeug nicht an Bord sind! Die rasante Entwicklung macht ein neues Lernbewusstsein quer durch alle Generationen erforderlich. Lange Zeit ist die größte Herausforderung bei Vorkriegsfahrzeugen gelegen, die mit echten „Schmankerln“ - wie unsynchronisiertem Getriebe (gab es auch in den 50ern und 60ern manchmal noch), Hebel zur Verstellung von Zündzeitpunkt und Standgas, teilweise ungewohnter Pedalerieanordnung oder lediglich gebremsten Hinterrädern - aufwarten.

Aus der Warte eines aktuellen Führerscheinneulings sieht aber selbst die Welt der Youngtimer und „jungen Historischen“ oft ungewohnt aus. Neben dem Fehlen zahlreicher gewohnter Assistenzsysteme ist hier das Schaltgetriebe zu nennen. Schalten und Kuppeln wird durchwegs bei Neuwagen durch ein Automatikgetriebe oder bei E-Fahrzeugen durch ein 1-Gang-Getriebe ersetzt. Modernes Autofahren besteht maßgeblich nur mehr aus Gas geben, bremsen, lenken und blinken. Alles andere - vom Licht einschalten bis zum Scheiben Wischen - erledigt das Auto selbst und piepst zudem unüberhörbar, wenn es eine Gefahr oder einen (vermeintlichen) Fahrfehler zu erkennen glaubt (das ist ja auch notwendig, denn ein großer Teil der Aufmerksamkeit liegt heute in den unendlichen Menütiefen der 2-3 Mega-Bildschirme im Cockpit). Leicht übertrieben können wir die These aufstellen: heute beherrscht das Auto den Fahrer!

Für den von uns erhofften Oldtimernachwuchs der Zukunft stellt diese Entwicklung allerdings eine neue Hürde zum Einstieg in das „Historische Kraftfahrwesen“ dar. War in den letzten Jahrzehnten oft das unsynchronisierte Getriebe mit der Notwendigkeit von Doppelkuppeln und Zwischengas ein emotionales Hindernis für den Erwerb solcher Fahrzeuge, so kann das zukünftig schon beim Vorhandensein eines klassischen Mehr-Gang-Schaltgetriebes oder der Absenz scheinbar unverzichtbarer Assistenzsysteme passieren.

Was bedeutet das für uns? Zeigen wir im Fahrbetrieb jungen Menschen, wie schön und faszinierend es sein kann, wenn im Oldtimer wieder zwingend gilt: „Fahrer beherrscht Auto“! Laden wir aktiv zur Mitfahrt ein – und lassen wir auch junge Menschen das Gefühl erleben, selbst am Steuer eines Fahrzeuges zu sitzen, das sie altersmäßig um viele Jahre übertrifft. Wir selbst erhalten mit viel Liebe und Enthusiasmus rollendes Kulturgut – und wir sind dafür verantwortlich, dass das auch die nächsten Generationen tun!

PS: In diesem Sinne sei auch auf die ÖMVV-Initiative STARTERMOTOR hingewiesen, die dieses Ziel unterstützt ( www.oemvv.at ).

 

Christian Gantner