Oldtimer, Lack, Nachhaltigkeit - Jürgen Book im Gespräch

von Christian Sch… 08/03/2023
Szenethema
Oldtimer, Lack, Nachhaltigkeit - Jürgen Book im Gespräch

Glasurit Classic Car Colors für Young- und Oldtimer

Seit 1888 steht Glasurit, eine Marke der BASF, für professionelle Lösungen und erstklassige Qualität bei der Reparaturlackierung von Pkw und Nutzfahrzeugen. Schon 2007 hat Glasurit mit „Classic Car Colors“ ein speziell für die Lackierung von Young- und Oldtimern abgestimmtes Programm eingeführt. Das weltweit größte Farbtonarchiv mit über 260.000 Farbtönen und über 650.000 Mischformeln und die historische Lackkompetenz und sind die Grundlage. Im Mittelpunkt steht der Werterhalt der Fahrzeuge. In Zusammenarbeit mit Herstellern, Markenclubs und Experten recherchiert Glasurit die authentischen Farbtöne, reproduziert sie mit aktueller Lacktechnologie und baut die Farbtondatenbank auf diese Weise kontinuierlich aus. Speziell entwickelte Lackierverfahren sorgen für maximal möglichen Erhalt der gealterten Lackoberflächen und die unsichtbare Anpassung hinsichtlich des Farbtons, Verlauf, Glanz und Alterungsspuren. Seit 2016 ist Glasurit globaler Partner der FIVA, des Weltverbandes der Oldtimerclubs. Das zeugt von der Glasurit wichtigen Nähe zu den Wünschen und Fragen der Fahrzeugbesitzer. Historische Fahrzeuge sind ein Kulturgut, deren Erhalt und Pflege durch kompetente Fachbetriebe gesichert werden muss.

OLDTIMER GUIDE: Herr Book, welche Rolle spielen Umweltthemen bei der Lackierung von Oldtimern ? 

Ein Oldtimer ist an sich schon ein Symbol der Nachhaltigkeit. Allerdings sind die meisten Autos nicht für eine Nutzung über 30 Jahre oder mehr konstruiert worden und bedürfen daher einer angepassten Pflege und Instandhaltung. Dazu gehört auch die Erhaltung bzw. Ertüchtigung der Lackschicht. Und bei alter Substanz muss eben auch mal erneuert, repariert oder komplett rekonstruiert werden.

Wie alle Teile und Gewerke am Auto unterliegt auch die Lackentwicklung einer Evolution. Lacke sind aus bis zu 50 verschiedenen Komponenten rezeptierte komplexe Produkte. Alle verwendeten Rohstoffe sind aufeinander abgestimmt und sorgen letztlich für die gewünschten Eigenschaften.

OLDTIMER GUIDE: Herr Book, um welche Evolutionen geht es dabei?

Zur Evolution von Lacken gehört nicht nur der Wechsel verschiedener Lacktechnologien, wie z.B. von Nitrozelluloselack zu Kunstharzlack zu 2K Lacken. Vielmehr auch um den Ersatz von Lackrohstoffen in bestehenden Rezepturen. Die Entscheidung darüber was ersetzt werden muss trifft nicht allein der Lackhersteller, sondern auch der Hersteller der Rohstoffe. Austauschen von Rohstoffen macht einen großen Teil der Lacklabor-Tätigkeiten aus. In vielen Fällen ist ein 1:1-Austausch möglich, manchmal eine mengenmäßige Differenz und oft ist sogar eine komplette Neurezeptur notwendig, da die alternativen Stoffe nicht über identische Eigenschaften verfügen.

Gründe können u.a. sein: 

Nutzung neuartiger optimierter Rohstoffe bzw. Produktverbesserungen

Geringe oder nachlassende Nachfrage

Hohe Komplexität/Aufwand bei der Herstellung

Geringe Produktivität/Marge für den Rohstoffhersteller

Gesetzlich reglementierte Verbote, in EU hauptsächlich durch REACH

OLDTIMER GUIDE: Herr Book, was ist REACH und welchen Einfluss hat das auf unsere Fahrzeuge?

REACH steht für „Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“ (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe). Jeder verwendete Rohstoff durchläuft diesen Prozess. Die REACH-Verordnung trat am 1. Juni 2007 EU-weit in Kraft.

Es ist damit zu rechnen das weitere Substanzen verboten oder auch Anteile reduziert werden. Die an Dynamik stark gewinnende Diskussion zum Klima- und Umweltschutz tut ihr übriges, auch weiterhin für den Austausch betroffener Stoffe zu sorgen. Die REACH-Verordnung ist eine Verordnung der Europäischen Union, die erlassen wurde, um den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor den Risiken, die durch Chemikalien entstehen können, zu verbessern und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie der EU zu erhöhen.

Grundsätzlich gilt REACH für alle chemischen Stoffe, d. h. nicht nur für die in industriellen Prozessen verwendeten, sondern auch für die im täglichen Leben vorkommenden, zum Beispiel in Reinigungsmitteln, Farben/Lacken sowie in Produkten wie Kleidung, Möbel und Elektrogeräte. Daher hat die Verordnung Auswirkungen auf die meisten Unternehmen in der gesamten EU.

Es bedeutet schlicht und einfach, dass ein heute zu verwendender Lack immer mit aktuell vorhandenen Stoffen hergestellt werden muss. Lacke sind ja nicht unbegrenzt haltbar. Was also oberflächlich gleich aussieht wird in der Regel nach mehreren Jahrzehnten anders zusammengesetzt, um ein originalgetreues Ergebnis zu erzielen.

Im Rahmen von REACH tragen die Unternehmen die Beweislast. Zur Erfüllung der Verordnung müssen die Unternehmen die Risiken, die mit den von ihnen in der EU hergestellten und in Verkehr gebrachten Stoffen verbunden sind, identifizieren und beherrschen. Sie müssen gegenüber der ECHA (European Chemicals Agency) aufzeigen, wie der Stoff sicher verwendet werden kann, und sie müssen den Anwendern Informationen über Risikomanagementmaßnahmen bereitstellen. Wenn die Risiken nicht beherrschbar sind, können die Behörden die Verwendung von Stoffen auf unterschiedliche Weise einschränken. Auf lange Sicht sollten die gefährlichsten Stoffe durch weniger gefährliche ersetzt werden.

OLDTIMER GUIDE: Herr Book, um welche Stoffe geht es dabei konkret?

In der Frühzeit der Autolackierung wurden viele Stoffe eingesetzt die nach heutigem Stand der Wissenschaft gesundheitsschädlich, giftig, krebserzeugend etc. sind und nicht mehr eingesetzt werden. Zum Beispiel das Verbot oder Einschränkung aromatischer Lösemittel (Benzol, Toluol, etc.). Schon vor REACH kam es also zu ständigen Austauschen oder Reduktionen, durch die aufkommenden Umweltdiskussionen und Luftverschmutzungen wurde ab Mitte der 80er Jahre der Anteil organischer Lösemittel in Lacken reguliert. In den meisten Fällen durch eine Reduzierung des Lösemittelanteils zu den sog. Medium Solid und High Solid Lacken (Also hoher Festkörpergehalt) und im Bereich der Basislacke der Austausche des größten Teils der Lösemittel gegen Wasser.

Speziell dazu gibt es eine endlose Diskussion in der Oldtimer- aber auch Lackierbranche. Letztendlich sollte es weniger um das gehen was verdunstet ist sondern darum was auf dem Auto bleibt. Und da sind die Unterschiede nicht besonders groß. Und letztlich sind lösemittelhaltige Basislacke ja auch noch zu bekommen.

Ein viel interessanteres Thema ist beispielsweise das Verbot von Chromat haltigen Substanzen.

Blei- und Cadmiumchromat-Pigmente waren in den grellen Farben speziell der 70er Jahre eingesetzt und zeichneten sich durch hohe Leuchtkraft und sehr gutes Deckvermögen aus. Der Vergleich mit dem leuchtenden 70er-Jahre Post-Gelb (in Deutschland) und einem heutigen eher Beige-Gelb zeigt welche Effekte dies hat. Die heutige Reparatur solcher Lackierungen beginnt schon bei einem passend eingefärbten Füller, der maßgeblich den Decklackfarbton steuert.

Zink- und Strontiumchromat-haltige Pigmente waren schon vor der Erfindung des Automobils als universelle Mittel für guten Korrosionsschutz bekannt. Sie waren vielseitig einsetzbar, verziehen leichte Verschmutzungen im Untergrund und sind prinzipiell auf allen metallischen Substraten anwendbar gewesen. Das komplette Verbot dieser Substanzen ab 2019 sorgt speziell im Grundmaterialbereich für große Veränderungen und auch Verunsicherungen. Das Verbot war lange angekündigt und sorgte dafür, dass sich viele Betriebe damit bevorratet haben. Doch auch der letzte grüne EP-Füller (ein Synonym für Haltbarkeit und Sicherheit) geht zur Neige. Für solche Chromate gilt aktuell noch die Zulassung für die Flugzeuglackierung ansonsten sind sie verboten.

Chromat freie Nachfolger bzw. parallel bereits existierenden Produkte sind vorhanden, aber bedingen einen angepassten Arbeitsprozess. Sog. DTM-Produkte (= Direct to Metal) sind für hochwertige Ansprüche bei OEM-Gewährleistungs-Reparaturen vorgeschrieben und hervorragend geeignet.

Ein neuer Aspekt ist der Einsatz erneuerbarer Rohstoffe um die Anteile an fossilen Rohstoffen ersetzen. Es ist also zu erwarten das weitere Anforderungen kommen und auch heute noch mögliche Ausnahmegenehmigungen zumindest nicht zur Regel werden. Hier sind auch nationale Sonderregelungen zu beachten.

OLDTIMER GUIDE: Herr Book, ist denn ein Oldtimer dann überhaupt noch mit Originallack zu lackieren ?

Der „Originallack“ ist der Erstlack, der in den Automobilwerken verwendet wurde. Ab der Einführung von Kunstharz-Einbrennlacken (130-160°C) wurde er nicht als Reparaturlack angeboten.

Beruhigung für alle Oldtimerbesitzer: Für die Lackreparatur in Lackierereien gab und gibt es seitens der meisten Hersteller freigegebene Reparatur-Lackiersysteme. Eine unsichtbare und originalgetreue Reparatur/Rekonstruktion einer gealterten Lackierung mit aktuellen Mitteln ist natürlich möglich, denn ausschlaggebend ist auch der Lackaufbau, das Lackierverfahren und die Kenntnisse des Anwenders.

Deshalb ist „Fahrzeuglackierer“ ein durchaus komplexer und anspruchsvoller Ausbildungsberuf. Und bei der Bearbeitung von Altsubstanz ist besonders viel Können und Wissen nötig.

Um mehr über Lacke generell zu erfahren, empfehlen wir den Glasurit-Beitrag „Was Lack alles kann“ auf den Webseiten der FIVA unter „Master Class“.