Mystery Cars — Bizarr, verrückt, skurril. Außenseiter und Verlierer der Automobilgeschichte

von Admin Admin 21/02/2018
Szenethema
Mystery Cars — Bizarr, verrückt, skurril. Außenseiter und Verlierer der Automobilgeschichte

Mystery Cars

Wir alle kennen diese Faszination der großen, alten Namen: Bugatti, Mercedes, Ferrari, Porsche, Cadillac, Bentley und viele andere mehr, sie lassen die Herzen der Liebhaber klassischer Automobile höherschlagen, sie versprechen faszinierendes Design, brillante Technik, berühmte Besitzer, Legenden der Automo-bilgeschichte und es gibt viele davon. Die Fachzeitschriften sind voller Hochglanzbilder solcher Preziosen, anerkannte Autoren haben zahlreiche Bücher über deren Geschichte verfasst und keine edle Auktion und kein bedeutendes Automuseum kommt ohne sie aus. Doch es gibt eine Kehrseite dieser Erfolgsgeschichten und die ist kaum weniger reizvoll, allerdings ziemlich unbekannt. Hier geht es um Bizarres, Geniales aus der Not geboren, oder einfach völlig Verrücktes. Autos, bei deren Anblick man schmunzelt, Autos, die nur auf dem Papier existierten, Autos die (fast) keiner kennt. Sie faszinieren durch ihr Anderssein, durch Exotik und das Geheimnis des Unbekannten.

Begeben wir uns also auf eine vergnügliche Reise zu ein paar vergessenen Außenseitern und Verlierern der Automobilgeschichte, es darf gestaunt und gelächelt werden!

Unsere erste Reise führt uns ins Reich der Pharaonen, nach Ägypten – ja richtig gelesen, dort wurden nicht nur FIAT in Lizenz gebaut, wie mancher vielleicht schon weiß, es gab auch eine Eigenentwicklung mit dem schönen Namen „Ramses“.

Ende der 50er Jahre wagten zwei Freunde aus Kairo den Schritt zum Automobilhersteller. George Hawi und Essam Abu El Ela, beide nicht unvermögend, nahmen Kontakt zum damals erfolgreichen Kleinwagenhersteller NSU in Deutschland auf und sicherten sich die Belieferung mit Antriebs- und Fahrwerksteilen. Der ganze Rest, inklusive einer winzigen, Jeep-ähnlichen Karosserie stammte aus ägyptischer Produktion! In einer großen Werkshalle nicht weit von den berühmten Pyramiden von Gizeh, hämmerten und schraubten ein paar Dutzend ägyptische Fach- und Hilfskräfte die kleinen Ramses zusammen. Auf Messen im Lande wurden die Kleinwagen gezeigt und der Verkauf lief zunächst gar nicht schlecht. Dann entwickelte man modernere Karosserien und landete schließlich bei einer handwerklich gefertigten Kopie des Prinz 4. Zudem gab es sogar Kleinlieferwagen und auf Wunsch Cabrios. Erst als sich FIAT Anfang der 70er Jahre mit in Lizenz gefertigten Autos in Ägypten engagierte, wollte keiner mehr die kleinen Ramses erwerben. Noch heute fahren ein paar ältere Herren ihre Ramses mit Stolz durch den hektischen Verkehr der Metropole am Nil.

Da wir eh schon ziemlich weit weg sind, bewegen wir uns gleich noch weiter nach Australien. Der Markenname „Holden“ sagt uns was, das ist doch GM auf australisch, oder so ähnlich, aber wer kennt den „Hartnett“? Das Auto ist zugegeben nicht schön, hat aber eine interessante Geschichte. Hartnett war einer der wenigen, leider missglückten Versuche, in Australien neben der übermächtigen GM-Marke Holden eine einheimische Marke zu etablieren.

Die Konstruktion der Typen „Tasman“ und „Pacific“ geht auf einen Prototyp mit Frontantrieb von Jean Grégoire aus dem Jahr 1946 zurück, der später in Gestalt des Panhard Dyna in Frankreich und Kendall in England realisiert wurde. Als die Produktion des wenig erfolgreichen Kendall Ende der vierziger Jahre enden musste, übernahmen die Australier unter der Leitung des ehemaligen GM-Holden Direktors Laurence Hartnett die Produktionsanlagen. Nach fünf noch in England gebauten Prototypen und zwei Vorserienwagen aus der australischen Fabrik in Frankston bei Melbourne, kam Ende 1951 eine bescheidene Serienherstellung in Gang, die allerdings mangels Käufern schon ein Jahr später, nach nur etwa 100 Wagen, meist „Pacific“ Cabriolets, endete. Auch die stilistisch offensichtliche Ähnlichkeit des Hartnett mit dem beliebten Morris Minor konnte das Projekt nicht retten, da verließ man sich doch lieber auf das bewährte Original.

Von Australien nach Japan ist ein logischer Schritt, wenn man sich in der Automobilgeschichte langsam wieder Europa nähern will und dort liegt die Frühzeit des Automobils für uns Europäer noch erstaunlich im Dunkeln. Dabei geht die Autogeschichte des Inselstaates bis auf die Zehnerjahre des vorigen Jahrhunderts zurück und trieb auch in der Zeit nach 1945 noch erstaunliche Blüten.

Seit den zwanziger Jahren war der dünne PKW Verkehr Japans von Importwagen und im Lande in Lizenz gebauten US Marken geprägt, noch in den frühen fünfziger Jahren glich das Straßenbild Tokios deshalb manch amerikanischer Großstadt, doch bald sollte sich das ändern, denn in erstaunlicher Vielfalt schossen Eigenkonstruktionen wie Pilze aus dem feuchten Waldboden. Im „Westen“ bekam man fast nichts davon mit, denn bis Ende der fünfziger Jahre gab es so gut wie keinen PKW Export aus Japan. Heute wissen wir, wie bald und rasend schnell sich das ändern sollte, doch blicken wir zunächst zurück.

Die Idee vom „Volksautomobil“, einfach und billig, wurde auch in Japan verfolgt. Anfang der fünfziger Jahre zum Beispiel versuchte sich der Karosseriehersteller Suminoe mit der Entwicklung eines ultraleichten Kleinwagens. Als Vorbild diente der geniale Citroen 2 CV. Doch am Ende kopierte man dann lediglich die Rohrsitze der „Ente“. Der Gebläse gekühlte Zweizylinder V-Motor des filigranen Vehikels mit dem hübschen Namen „Flying Feather“ saß im Heck und produzierte 12,5 PS aus 350 ccm Hubraum. Blattfedern vorn und hinten sorgten für ein Minimum an Fahrkomfort, doch bei rund 65 km/h war ohnehin Schluss mit dem Vorwärtsdrang, was aber angesichts der abenteuerlichen Straßenverhältnisse im alten Japan meist mehr als genug war. Im Frühjahr 1954 der Öffentlichkeit vorgestellt, endete die Produktion bereits ein Jahr später nach nur wenigen Fahrzeugen. Trotz umfangreicher Werbung schaffte das ungemein primitive Fahrzeug selbst im damals wenig verwöhnten Japan keinen Durchbruch. Auch ein attraktives Fotomodell, übrigens die Mutter eines erfolgreichen BMW Designers der 2000er Jahre, konnte das kleine Auto nicht retten, es blieb eine originelle Randerscheinung der Automobilgeschichte.

Bleiben wir noch kurz in Japan und gehen wir zurück in die dreißiger Jahre. Denn wenige wissen, dass es in Japan schon vor 1945 einige Serienautos japanischer Hersteller gab. Neben Toyota und Datsun beschäftigte man sich bei der Firma Ohta mit der Serienherstellung selbst entwickelter PKWs. Herr Hiro Ohta gründete das Unternehmen bereits in den zwanziger Jahren und beschäftigte sich unter anderem mit der Entwicklung eines Kleinwagens, doch erst 1934 erschien der erste Ohta auf dem einheimischen Markt. Der kleine Vierzylindermotor war eine Eigenkonstruktion und entwickelte 16 PS aus 736 ccm. Die durchaus in hoher Qualität gebauten Wagen sahen aus wie geschrumpfte Autos westlicher Prägung. Der letzte Vorkriegstyp „OD“ wurde zwischen 1937 und 1939 in 670 Exemplaren produziert. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg baute Ohta weiter PKWs und kleine Transporter, erst 1958 verschwand der Markenname.

 

Nach diesem Ausflug in die bizarre Automobilwelt des alten Japan reisen wir nun weiter ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der chromblitzenden Straßenkreuzer und PS starken Achtzylindermotoren. Doch Halt, was ist das? Was aussieht wie eine verunglückte Kreuzung zwischen Messerschmitt Kabinenroller und Honda CB 400 war in den siebziger Jahren die Erfindung einer kleinen Firma in Kalifornien in der Nähe von Los Angeles, nicht weit von Long Beach.

Man muss sich kurz in die Zeit der Beach Boys und Flower-Power zurückversetzen, um das Feeling dafür zu kriegen, was hier in den Köpfen der Konstrukteure, vielleicht unter dem Einfluss inspirierender Kräuter, entstanden war. Wenn man ein Motorrad hatte, aber lieber bequem sitzen und nicht dauernd umfallen wollte, kaufte man sich bei der Unicar Corporation ein Vorderteil aus Glasfiber mit Tandemsitz, schraubte es anstatt der Vorderradgabel ans Bike und schloss die Bedienungsorgane an. Dann setzte man sich auf den Schoß der Freundin   oder Ehefrau und los ging’s! Per Knopfdruck, Elektromotoren und Parallelogramm Konstruktion der Vorderachse konnten die Vorderräder bei schneller Fahrt sogar geneigt werden. Man möchte es kaum glauben, aber angeblich sollen die Unicar Leute tatsächlich an die hundert solcher Apparate „die den Tiefflug legal machen“ (Unicar Werbung) an mehr oder weniger berauschte Kunden verkauft haben. Theoretisch konnte und durfte übrigens ein dritter Passagier auf der Motorradsitzbank mitgenommen werden, dafür gab es sogar einen speziellen Haltegriff. Wer das nicht wollte, bestellte eine Kunststoffverkleidung fürs Motorrad-Hinterteil. Ende der siebziger Jahre hörte man dann nichts mehr von den Unicar Leuten – vielleicht war ihnen der Stoff ausgegangen?

Und es kommt noch schlimmer. In den USA gab es ein Auto mit lächerlichem Namen, sehr bedenklichem Markenzeichen und grauenhaftem Design – aber zum Glück wurde es nie gebaut.

Greenville, eine Kleinstadt nördlich von Pittsburgh in Pennsylvania, war 1948/49 der Ursprungsort eines Kleinwagens mit dem schönen Namen „Hoppenstand“. Und weil der vermutlich deutschstämmige Erfinder ein markantes Markenzeichen für sein Produkt suchte, griff er kurzerhand zu einem Symbol, das damals noch vor kurzem weltweit bekannt geworden war und drehte es einfach um. Als billigstes Auto der Welt wurde der kleine Hoppenstand bald in Prospekten angekündigt und Interessenten und Presse wurden für den 5. Und 6. August 1949 nach Cleveland, Ohio zur Weltpremiere eingeladen. Doch dabei blieb es und niemand hörte mehr etwas vom Hoppenstand – und es war gut so.

Jetzt aber nichts wie weg aus Übersee mit diesen bizarren Autos und zurück nach Europa, der Wiege des Automobils und ihrer fantastischen Schöpfungen. Doch auch hier gab es genug Merkwürdiges und nicht jeder Versuch war von Erfolg gekrönt.

So das Schicksal der Firma OPES, gegründet von Herrn Giuseppe Milanaccio. Dieser hatte sich gleich nach dem Krieg in einem geräumigen Wohnhaus der Jahrhundertwende mit angeschlossener Werkhalle nahe des Turiner Stadtzentrums angesiedelt. Milanaccio scheint technisch nicht gerade untalentiert gewesen zu sein, denn sein 1947 präsentiertes Auto mit dem klangvollen Namen „Ninfea“, zu Deutsch Nymphe, war in jeder Hinsicht anspruchsvoll. Die modern gezeichnete, zweitürige Karosserie bot bis zu fünf Personen Platz, bestand aus Aluminium und war selbsttragend konstruiert. Vor der Vorderachse mit Einzelradaufhängung hatte Milanaccio zum Erstaunen der Fachwelt einen luftgekühlten Dreizylinder Sternmotor installiert, der aus 800 ccm bescheidene 18 PS schöpfte. Die Ninfea mit Frontantrieb sollte so bis zu 90 km/h erreichen. Dann wurde es aber schnell still um das ambitionierte Projekt und ab 1950 hörte man nichts mehr von der Nymphe aus Italien.

Wieder zurück in Deutschland fällt mir der Prospekt des Kaiser Dreiradwagens in die Hände, Traum mehrerer schlafloser Nächte.

Theodor Kaiser beschäftigte sich ab Ende der zwanziger Jahre mit stromlinienförmigen Landfahrzeugen, 1931 entstand ein erster fahrfähiger Prototyp. Nach etlichen Weiterentwicklungen folgte ab ca. 1935 eine kleine Serie handwerklich produzierter Dreiradwagen mit zwei Sitzen nebeneinander. Man konnte zwischen Modellen mit Blechkarosserie oder einem Aufbau aus einem mit Kunstleder bezogenen Holzgerippe wählen, letzteres natürlich wesentlich leichter, aber auch fragiler. Kaiser ließ dem Kunden auch beim Motor die Wahl zwischen drei Varianten von DKW zwischen 7 und 20 PS. Mit dem stärksten Motor und der leichten Karosserie waren so bis zu 120 km/h zu erreichen. Nebenbei erfand Kaiser auch noch das adaptive Kurvenlicht, denn die Scheinwerfer waren in die mitlenkenden Kotflügel integriert. Ein Kaiser Dreirad scheint noch zu existieren.

Und dann gab es da noch die "Mitzi“, nein, nicht aus Österreich – aber diese Geschichte werde ich vielleicht ein anderes Mal erzählen.